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Was ist Lindy Hop?

Lindy Hop: einer der ersten Swingtänze aus Harlem, New York

„Lindy hops off to Paris“ oder was Charles Lindbergh mit dem Savoy Ballroom zu tun hat

Bilderstrecke in Life Magzine 1943. Ganzer Artikel: https://archive.org/details/Life-1943-08-23-Vol-15-No-8/page/n121/mode/2up

Der Lindy Hop entstand in den späten 1920er Jahren im New Yorker Stadtteil Harlem aus einer Verschmelzung älterer, aber auch zeitgenössischer Tänze, vor allem aber dem Jazz Dance, dem Breakaway und dem Charleston. Er zählt damit, so wie seine Vorgänger, zu den afroamerikanischen Tänzen und ist eines der frühesten Mitglieder aus der Familie der Swingtänze. 

Aber woher bekam der Lindy Hop überhaupt seinen Namen?

Zu dieser Frage existieren zahlreiche verschiedene Erklärungen. Unumstritten ist, dass Charles Lindbergh nach seinem ersten Solo-Nonstop-Flug über den Atlantik 1927 zu ungeheurer Berühmtheit gelangt war – Schlagzeilen wie „Lindy [i.e. Lindbergh] Hops the Antlantic“ („Lindbergh hüpft über den Antlantik“) waren allgegenwärtig. Es wurden Lieder, Rezepte, Unternehmen usw. nach Lindbergh benannt. Die am häufigsten genannte Legende zur Entstehung der Bezeichnung ‚Lindy Hop‘ geht auf George „Shorty George“ Snowden zurück, einen der bekanntesten Showtänzer der Swing-Ära. Dieser erzählte in einem Interview aus dem Jahr 1959, dass er und seine Kollegen Elemente ihres Tanzes schon vorher ‚Hop‘ genannt hatten, aber erst als er 1928 bei einem Tanzmarathon in Manhatten von einem Journalisten gefragt wurde, was er denn da mit seinen Füßen mache, antwortete er spontan: „Den Lindy!“ *

Vielfältige Wurzeln, viel Raum für Kreativität

A Nightclub Map of Harlem – E. Simms Campbell 

Ursprünglich vor allem als Show- und Performance-Dance präsentiert, war der Lindy Hop von Anfang an ein „Street Dance“, der nicht in Tanzschulen gelehrt, sondern auf dem Social Dancefloor gelernt und weiterentwickelt wurde. Auch wenn er seinem Wesen nach ein Social Dance war, der auch in großem Maße von Improvisation und Individualität lebte, wurde er gleichzeitig auch weiter von professionellen Tänzer:innen und Tanztruppen für teils atemberaubende Choreografien genützt, nicht zuletzt von den berühmten „Whitey’s Lindy Hoppers“, die Ende der 1920er Jahre von Herbert „Whitey“ White im Savoy Ballroom in Harlem etabliert wurden und in zahlreichen Shows und später auch Spielfilmen zu sehen waren, bis sie sich 1942 auflösen mussten, nachdem alle männlichen Mitglieder zum Militär eingezogen worden waren. Insbesondere Franky Manning ist hier als bekannter Tänzer der Truppe und auch als Choreograf zu nennen.

Über die 1930er und 40er Jahre hin entwickelte sich der Lindy Hop zum zentralen amerikanischen Volkstanz, der nicht nur in großen Tanz-Etablissements wie seiner Geburtsstätte – dem Savoy Ballroom –, sondern auch in Bars, auf der Straße, oder im Park zu sehen war. Wo immer Swing Jazz zu hören war, waren Lindy Hopper nicht fern. Bereits 1935 berichtete die New York Times darüber, dass „ganz Harlem sich mit Hingabe auf den Lindy Hop gestürzt“ habe, was angesichts von 15.000 Tänzer:innen auf den Straßen wohl keine Übertreibung gewesen sein dürfte.** 

Der Lindy Hop, von den Medien und der weißen Bevölkerung auch gerne ‚Jitterbug‘ (auch ‚Jitterbug Jive‘) genannt, ist eng verknüpft mit dem spezifischen musikalischen Stil des Swing Jazz, der in den 1930ern quasi zur amerikanischen Popmusik ihrer Zeit avancierte, und dessen berühmteste Vertreter wie Duke Ellington, Benny Goodman, Count Basie, Cab Calloway, Glenn Miller, Jimmie Lunceford u.v.a.m. auch weit über die Grenzen der Dance Communities hinaus Berühmtheit erlangten. In der Nachkriegszeit entwickelte sich allerdings langsam die Jazzmusik weiter und wurde zunehmend weniger tanzbar, und mit neu aufkommenden musikalischen Stilen und den sie begleitenden Tanzstilen, allem voran dem Rock’n’Roll, verlor der Lindy Hop in den 1950ern zunehmend an Bedeutung und verschwand langsam aus den Augen der Öffentlichkeit, auch wenn viele seiner ursprünglichen Vertreter ihn Zeit ihres Lebens weiter pflegten. Doch ganz verschwanden seine Einflüsse nicht, denn nicht nur der Rock’n’Roll-Dance bediente sich durchaus am Vokabular des Lindy Hop, sondern auch der Jive und – als erste europäische Variante des Swingtanzes – der Boogie-Woogie.

Das Ende der Swingära, was danach kam & das schwedische Revival

Erst Mitte der 1980er Jahre begannen relativ zeitgleich junge Tanzbegeisterte, wieder auf den Lindy Hop aufmerksam zu werden, nicht zuletzt durch Filmausschnitte aus den 1940ern, in denen die rasanten bis halsbrecherischen Choreografien von Tanztruppen wie den „Whitey’s Lindy Hoppers“ zu sehen waren. Ausgehend von Schweden, Großbritannien, New York und Los Angeles begann damit das Revival des Lindy Hop. 

Mit etwas Überredungskunst gelang es, gleich mehrere frühere Mitglieder von Whitey’s Lindy Hoppers aus der Pension zurückzuholen, um einer neuen Generation von Tänzer:innen ihre Varianten des Lindy Hop zu vermitteln. Allen voran zu nennen sind hier Al Minns, der leider schon 1985 verstarb, Frankie Manning (1914–2009), der heute wegen seiner bahnbrechenden Bedeutung für das Swing Revival gerne der „Embassador of Lindy Hop“ genannt wird, und Norma Miller (1919–2019), die „Queen of Swing“, die mit gerade einmal 14 Jahren das jüngste Mitglied der Whitey’s Lindy Hoppers geworden war. 

Und während die Blütezeit des Lindy Hop ursprünglich nur etwa 20 Jahre währte, lebt er nun seit seinem weltweiten Revival vor fast 40 Jahren weiter fort und bereitet in zahllosen Lindy Hop Communities Tänzer:innen auf allen Kontinenten weiter Freude und Spaß am gemeinsamen Tanzen.

Alles andere als Standard

Lindy Hop ist, gerade weil es keinen „standardisierten“ Schritt, kein Tanzprogramm oder nach strengen Regeln festgelegte Figuren(folgen) gibt, ein Tanz, der es möglich macht, dass Tänzer weltweit mit unterschiedlichsten Partner:innen ihrer Kreativität mittels Improvisation freien Raum lassen. Im Tanzen selbst entsteht ein spannender Dialog. Es gibt auch keinen festgelegten Konsens unter Trainer:innen, wie die Technik am Besten funktioniert. Genausowenig ist festgehalten, was die beste Methode ist, Lindy Hop zu unterrichten. Der Urtanz des Swings ist genau darauf ausgelegt, mit beliebigen Partner:innen improvisieren zu können. Aus diesem Pluralismus, dem Zusammentreffen unterschiedlicher Technik und unterschiedlicher Stile, entsteht sehr viel Reiz. Denn durch den Austausch im Tanzen selbst entsteht viel Neues. Kein Wunder also, dass es für Lindy Hopper kaum etwas Aufregenderes gibt, als einen internationalen Swing-Event zu besuchen, oder gar an einem „Lindy Exchange“ in einer anderen Stadt teilzunehmen.

Wer sich für die Entstehung und die Blütezeit des Lindy Hop interessiert, dem seien hier vor allem diese beiden Autobiografien ans Herz gelegt:

  • Norma Miller & Evette Jensen: »Swingin’ at the Savoy – Memoir of a Jazz Dancer«. Temple University Press Philadelphia, 1996.
  • Frankie Manning & Cynthia R. Millman: »Frankie Manning: Ambassador of Lindy Hop«. Temple University Press Philadelphia, 2008.

*   Stearns, Marshall and Jean (1968). „Jazz Dance: The Story of American Vernacular Dance.“
New York: Macmillan. pp. 128–129, 315–316, 322–326, 330.
**  “15,000 Dance in Street”. The New York Times. July 17, 1935. p. 21.)

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